Sachtexte sprechen- worauf es dabei ankommt

 
Beim Sprechen von Sachtext ist- stärker als in anderen Genres- die korrekte Betonung der Sinnträger- auch in längeren Satzkonstruktionen- von entscheidender Bedeutung. Denn der Sprecher von Sachtexten transportiert nicht in erster Linie Emotionen oder eine Rolle: Hier steht der Inhalt an allererster Stelle. Und was zunächst simpel klingt, ist beim Lesen eines Textes sehr viel schwieriger als in der Spontansprache. Auch, wenn der Autor des Textes diesen selbst liest (weil er ihn ja schließlich kennt), wird schnell klar: Professionelles Lesen will gelernt sein - sonst knnte jeder von heute auf morgen Sprecher werden. Plötzlich schleichen sich Betonungen ein, die eher Verwirrung stiften, als das Zuhören erleichtern. Weitere Hürden kommen hinzu- wo sollen die Pausen gesetzt werden (bei jedem Komma ist falsch) und wie spreche in die Hörer zugewandt an, wenn außer mir nur ein Mikrofon im Studio steht. Fragen von Dialekt und Artikulation kommen hinzu. Meist genügt schon das nicht-Vorhanden-sein eines einzigen dieser für das Sprechen von Sachtexten wichtigen Merkmale, damit der Hörer sagt: Nicht schlecht, aber irgendwie auch nicht überzeugend. Oder: Nach 5 Minuten bin ich inhaltlich ausgestiegen. Einen Sachtext anschaulich und spannend zu gestalten, so dass man gerne noch weiter zuhören möchte, ist letztlich auch eine Kunst. Zumal die Trennlinie zwischen sachlichem Text und künstlerischem Text sowieso schwer zu ziehen ist. Ein spannend geschriebener Audioguide von einem guten Autor kann mehr künstlerische Qualität haben als ein schlecht geschriebener Roman. Ergo kann der Sprecher Audioguide mitunter lieber sprechen als einen weniger guten Roman.

 Was ein Sprecher dem Sachtext geben kann- und umgekehrt

Es gibt jedoch Sachtexte, die eindeutig nur einen informierenden Charakter haben und manchmal etwas trocken wirken. Gerade hier ist der Sprecher von Sachtext gefragt, den Inhalt immer wieder neu und spannend zu greifen und diesem auch in Minute 78- noch Interesse entgegenzubringen. Die Sachtexte können sehr unterschiedlich gut gemacht sein. Manches E-learning-Programm zum Thema Compliance (Regeltreue) in Unternehmen wirkt, als hätten die Verantwortlichen lediglich den von Juristen verfassten Leitfaden in ein Word-Dokument kopiert und dem Sprecher geschickt. Lange Schachtelsätze, bei denen das Verb erst ganz am Ende des Satzes kommt und diesem eine für den Hörer völlig überraschende Wendung gibt, erschweren das Hörverstehen ungemein. Und soll die Nummerierung 2.6.3.7 vor den Kapiteln eigentllich mitgesprochen werden, fragt sich dann der Sprecher. Andere Skripte sind speziell für das Hörverstehen aufbereitet worden: Kurze Hauptsätze, starke Verben, Aktiv statt passiv. Dazu gibt es im Netz unter dem Stichwort „Schreiben für das hören“ nützliche Hinweise. Und die meisten Menschen finden anschauliche Beispiele spannender als Paragrafen. Darf Frau Meier mit Herrn Müller während des Abendessens, zu dem er eingeladen hatte, ein Geschäft abschließen- oder ist das bereits ein Compliance -Verstoß? Oft merkt man als Sprecher Sachtexten bereits beim Einsprechen an, ob sie ihr Zielpublikum so erreichen werden, dass die Inhalte im Gedächtnis bleiben. Die Vielfalt der Themen ist auch für den Sprecher eine Bereichung: Die Anleitung zur Hüft-OP, ein Leitfaden, wie Versicherungsbetrug vom Bearbeiter aufgedeckt werden kann, was beim Transport von Batterien gefährlich werden kann oder ein Sachtext für Kinder zu Thema Tiere in freier Wildbahn: Als Sprecher von Sachtexten lernt man täglich etwas Neues dazu. Auch das ist ein Aspekt, der diesen Beruf attraktiv macht. Ohne ein Interesse an den verschiedensten Themen geht es nicht. Der Sprecher muss sich für den Inhalt des Sachtextes interessieren, ihn inhaltlich durchdringen. Erst dann wird er in der Lage sein, während des Lesens die Schwerpunkte zu betonen, die dem Hörer das Verstehen ermöglichen. Dieser Prozess des Mitdenkens beim Lesen wird Sprechdenken genannt. Ohne Sprechdenken würde es bei einer bloßen Aneinanderreihung gelesener Silben bleiben, ohne dass ein Sprechrhythmus entstünde . Der Hörer merkt das schnell und steigt mit seinem Denken ebenfalls aus- das Sprechen des Sachtextes hätte in diesem Fall sein Ziel verfehlt. Hören Sie sich daher, bevor Sie einen Sprecher buchen, Hörproben sachlicher Texte auf dessen Website an. So finden Sie schnell heraus, ob Sie dem Sprecher auch über einen längeren Zeitraum gut folgen können oder nicht.